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Der Baukoordinator Günter Spittel berichtet über die Hochwasserschäden:"So langsam müsste es aber mal weitergehen. Warum passiert da nichts?"

In Öffentlichen Gebäuden gelten andere Anforderungen
St. Martin Kirche in Flerzheim nach Hochwasser
Datum:
15. Feb. 2022
Von:
Susanne Polak

Günter Spittel ist Baukoordinator für die katholischen Kirchengemeinden Rheinbach, Meckenheim und Swisttal

Kita St. Ursula nach Hochwasser

Zu den Hochwasserschäden an kirchlichen Gebäuden der kath. Gemeinden Meckenheim, Rheinbach und Swisttal:

 

"So langsam müsste es aber mal weitergehen. Warum passiert da nichts?"

Diese oder ähnliche Aussagen und Fragen kommen in den letzten Tagen immer häufiger vor. Viele Privathäuser sind längst wiederhergestellt oder zumindest wieder in Teilen bewohnbar.

In den katholischen Kirchengemeinden von Meckenheim, Rheinbach und Swisttal sind es ca. 30 Gebäude, die teils leicht andere aber total beschädigt sind.

Warum geht es hier nicht weiter?

Zunächst sah man im Vorbeigehen, dass gearbeitet wird. Böden, Estrich, Wandbeläge, Elektro- Heizungs- und Wasserinstallationen wurden entfernt und entsorgt. Seitdem ist Ruhe.

Doch der Schein trügt: Anders als im privaten Bereich unterliegen öffentliche Einrichtungen härteren Anforderungen an Hygiene und Sicherheit. Die Trocknung der Wände und des Bodens muss gemessen und nachgewiesen werden. Anhand einer Feinreinigung und Desinfektion der betroffenen Räumlichkeiten wird sichergestellt, dass die Beseitigung von belasteten Materialien vollständig erfolgt ist und auch nachhaltig kein Schimmelbefall aufgrund des Wasserschadens mehr zu erwarten ist.  Eine sogenannte Freimessung, die von zertifizierten Laboren durchgeführt und analysiert wird, bestätigt die erfolgreiche Reinigung.

In dieser Zeit ist für den Passanten nichts von einem Baufortschritt erkennbar. Wochen, ja Monate gehen unter Umständen ins Land. Je nach Lage und Bausubstanz ist aber allein die Trocknung ein entscheidender Faktor für die Einhaltung eines Bauzeitplans, so wie man sich das unter normalen Bedingungen gewünscht hätte.

In den meisten Gebäuden ist nun genau dieser Zeitpunkt erreicht. Der Wiederaufbau kann beginnen. Der Rohinstallation durch den Elektriker folgt die Arbeit der Heizungs- und Sanitärtechniker. Putzarbeiten und ein neuer Estrich bieten die Grundlage für die funktionsorientierte Gestaltung der Räumlichkeiten in den Gebäuden.

Doch nicht nur bautechnische Gründe spielen eine Rolle, wenn es um einen zügigen Baufortschritt geht. Gerade in historischen Gebäuden wie Kirchen sind erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.

Historische Kunstgegenstände wie aus Holz geschnitzte Figuren sind ebenso empfindlich wie Gemälde oder Kirchenorgeln. Gerade in den Wintermonaten muss deshalb gewährleitet werden, dass die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit in diesen Gebäuden überwacht und gesteuert wird. Das ist ein fast nicht zu bewältigendes Unterfangen, wenn die Heizung vom Wasser zerstört wurde und die Installation einer Ersatzanlage durchaus Monate in Anspruch nimmt. In dieser Zeit überwachen Restaurator*innen den Zustand der zu schützenden Gegenstände. Denn all zu schnell hat sich Schimmel auf den Oberflächen gebildet, der dann wieder nur mit erheblichem Aufwand fachgerecht beseitigt werden muss.

Nun aber ist in den meisten Gebäuden der Zeitpunkt des Wiederaufbaus erreicht. Wir sind zuversichtlich, dass wir in der ersten Jahreshälfte vor allem die Schäden in kleineren Gebäuden fertigstellen können. Andere werden aus unterschiedlichen Gründen noch auf sich warten lassen. Aber allen die sich bislang in Geduld üben mussten sei versichert: „Da passiert doch was und es geht weiter!“

Kirchen:

-        St. Kunibert Heimerzheim; St. Georg Miel; St. Martin Rheinbach und die Wallfahrtskapelle in Mömerzheim

 

Beispiel:

Die Krypta der Pfarrkirche in Rheinbach war im März 2021 nach aufwändiger Sanierung gerade fertiggestellt worden. Als das Wasser nach der Flut bis fast zur Decke stand, war die Einrichtung vollständig vernichtet. Die neuen Böden mussten wieder herausgerissen, und auch die neue WC-Anlage muss vollständig ersetzt werden.

 

Kitas, Jugendheime, Pfarrzentren:

-        zwei Kitas, zwei Pfarrzentren, vier Büchereien und drei Jugendheime

 

Beispiel Rheinbach „Live St. Martin“

Das Jugendzentrum „Live St. Martin“ wurde im Keller sowie im Erdgeschoss total zerstört. Die Ausräumarbeiten wurden zunächst von eigenen Mitarbeitern sowie einiger freiwilliger Helfer übernommen. Ehrenamtliche Fachkräfte aus der Gemeinde Dahme Spreewald sind in wöchentlich wechselnden Teams angereist und haben den Hauptteil der Abrissarbeiten im Live sowie im Jugendheim der KjG und im Keller der Bücherei erledigt.

Zurzeit laufen noch immer die restlichen Abrissarbeiten im Bereich der Kegelbahn im Live. Danach können wir mit dem Wiederaufbau beginnen. Mit der Fertigstellung ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen.

Die Jugendarbeit des „Live“ findet derzeit Unterkunft im Juze der evangelischen Kirchengemeinde an der Brahmsstr. Auch die KjG ist zusammengerückt. Da der Keller des Jungendheims in der Pfarrgasse als Rohbau zurzeit nicht mehr nutzbar ist, bleibt nur noch ein Gruppenraum auf Parterre, den sich die Jugendlichen mit der Leitung des Live teilen.

 

Beispiel Kita St. Ursula in Flerzheim:

Der Betrieb der Kindertagesstätte musste komplett eingestellt werden. Die Gruppen wurden von zwei kirchlichen Kitas in Rheinbach aufgenommen. Dies macht die Arbeit mit den Kindern für alle Beteiligten nicht leichter. Beengte Räumlichkeiten bieten gerade in den Wintermonaten nicht gerade die beste Umgebung.

Das Gebäude in Flerzheim musste, nachdem es von fleißigen, freiwilligen Helfern geräumt wurde, komplett entkernt werden. Die Heizung, alle Wasser- und Stromleitungen, der Estrich und der Putz musste abgerissen werden. Letztlich stand ein vollkommen leeres Gebäude, bestehend aus Fenstern, Wänden und einem Dach da. Es folgte die Gebäudetrocknung, die Feinreinigung und Desinfektion sowie die Freimessung. Danach begann der Wiederaufbau. Unterstützt von der neuen Fußbodenheizung wurde der Estrich gesteuert getrocknet. Zurzeit arbeiten die Fliesenleger in den Sanitäranlagen, im Hausflur und in der Küche. Wenn wir den Bauzeitplan einhalten können, das heißt, dass alle Gewerke hintereinander und verknüpft miteinander arbeiten, können wir Anfang Mai in einen neuen Kindergarten einziehen. Bis dahin wird auch die Außenanlage, die vom Wasser schwer beschädigt wurde in weiten Teilen erneuert oder ausgebessert. Auch hier hoffen wir, pünktlich zum Einzug fertig zu werden.

 

Beispiel Öffentliche Bücherei St. Martin:

-        Durch einen Wassereinbruch im Untergeschoss der Bücherei wurden mehr als 2.200 Medien zerstört, alle Regale und weitere Einrichtungsgegenstände, „Veranstaltungsmaterialien“ und ein Büroraum wurden unbrauchbar 

-        Seit August letzten Jahres ist das Angebot der Bücherei auf die Räumlichkeiten im Erdgeschoss beschränkt. Dort stehen auch ein Teil der Romane und Jugendmedien, die „gerettet“ werden konnten, zur Ausleihe bereit. Ein größerer Teil des Bestandes wurde ausgelagert.

-        Die Bücherei hat in den letzten Monaten viel Hilfe erfahren. Zahlreiche freiwillige Helfer waren da, um bei den ersten Aufräumarbeiten zu helfen.

-        Das Bodenkommando 2021 entfernte das Parkett und auch festverklebte Böden sowohl in der Bücherei als auch in anderen betroffenen Einrichtungen der Kirchengemeinde

-        Der Bürgermeisterverbund aus Dahme-Spreewald stellte Mitarbeiter aus den dortigen Bauhöfen, die den Estrich entfernt und andere Abbrucharbeiten durchgeführt haben

-        Die Bücherei erhielt Buchspenden von der „Buchwunschliste Ersatz für ertrunkene Bücher“ und auch finanzielle Spenden unter anderem von anderen Büchereien und Privatpersonen.

-        Die Sanierungsarbeiten werden noch einige Zeit andauern, wir freuen uns auf die Wiedereröffnung des Untergeschosses

 

Darüber hinaus wurden u. a. zahlreiche Mietobjekte, Pfarrhäuser, zwei Bürogebäude und nicht zuletzt auch das Marienheim in Rheinbach stark beschädigt.  Es wird noch eine lange Zeit in Anspruch nehmen, bis alle Einrichtungen wieder ihrem Zweck zur Verfügung stehen.

Günter Spittel