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Gottfried Bohl fasst das Gespräch am 15.02.22 zusammen::Weihbischof Ansgar Puff stellt sich den Fragen der Rheinbacher Christen

„Laden Sie auch Kardinal Woelki ein und reden Sie Klartext wie mit mir“
Weihbischof Ansgar Puff im Gespräch
Datum:
20. Feb. 2022
Von:
Susanne Polak
Gespräch mit Weihbischof in Rheinbach

Gottfried Bohl fasst das Gespräch am 15.02.2022 mit dem Weihbischof wie folgt zusammen:

Missbrauch, Sexualmoral, Kirchenaustritte, der Umgang mit homosexuellen Mitarbeitenden und die Zukunft von Kardinal Woelki – kaum ein heißes Eisen blieb unausgesprochen am Dienstagabend in der Rheinbacher Pfarrkirche. Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff stellte sich den Fragen der rund 50 Besucherinnen und Besucher. 

Zu Beginn berichtete er sehr offen von einem Fehler als Personalchef im Umgang mit einem Missbrauchsfall, der im Gercke-Gutachten für das Erzbistum Köln erfasst war. Auch wenn er dort nicht namentlich genannt worden war, hatte Puff selbst den Fall öffentlich gemacht und war daraufhin bis zur weiteren Klärung beurlaubt worden von seinen Aufgaben als Weihbischof. 

In dieser Zeit arbeitete er in der Obdachlosenseelsorge und zusätzlich 30 Stunden in der Woche im Altenheim. Eine „wichtige und auch schöne Erfahrung“, wie er betonte. Daher arbeite er auch heute weiter eineinhalb Tage pro Woche in diesen Einrichtungen. 

Nach einem guten halben Jahr wurde er dann in den Vatikan eingeladen zur Bischofskongregation, die seinen Fall prüfen sollte. Als ihm dort mitgeteilt wurde, Papst Franziskus wolle, dass er als Weihbischof weiterarbeite, habe ihm das nicht ausgereicht als Antwort, so Puff: „Ich wollte nicht einfach so weitermachen wie bisher.“ 

Sein Vorsatz: „Ich will ehrlich sein und zu meinen Fehlern stehen – und ich denke anders über meine Kirche. Wenn ich kein Vertrauen mehr spüre, werde ich mir eine andere Aufgabe suchen, sei es in einer Pfarrei oder in der Sonderseelsorge, etwa für Alte, Kranke, Obdachlose oder Gefangene.“ 

Seitdem führt der Weihbischof viele Gespräche, in denen er genau diese Vertrauensfrage zum Thema macht. Gerade im Bereich der Caritas und der damit kooperierenden weltlichen Verbände heißt die Antwort dann auch schon mal: „Du stehst für eine Organisation, mit der wir zurzeit nicht zusammenarbeiten können“. Und das „kann ich in gewisser Weise auch verstehen“, räumte er ein.

Außerdem schrieb er einen Brief an alle Gemeinden, in denen er die Firmung spenden sollte. Überall bot er vorher den Jugendlichen, deren Eltern, Firmpaten und den Katecheten Gespräche an über den Umgang mit Missbrauch und die Vertrauenskrise der Kirche: „Am Ende stand dann die Frage: Wollt Ihr, dass ich – trotz allem - zur Firmung komme?“ So war es auch in Rheinbach – und auch wenn es vorher bei einigen Jugendlichen viel Kritik und erhebliche Zweifel gab, haben sich am Ende doch alle firmen lassen. 

Aus der Gemeinde kamen zahlreiche Fragen sowie sehr kritische Anmerkungen und erhebliche Zweifel an der Institution Kirche: „Wie kann es sein, dass immer noch Frauen so diskriminiert werden?“, hieß es da etwa. Oder: „Müsste der Papst nicht alle Bischöfe austauschen?“. Andere fragten: „Wo war die Kirche in der Corona-Zeit?“ und „Wo bleibt die echte Seelsorge und wo die Kinder- und Jugendarbeit?“. 

„Wenn sich nicht rasch was ändert, können wir das Licht ausmachen – denn unsere Kinder können mit dieser Kirche schon lange nichts mehr anfangen“, mahnten andere – und: Priester müssten sich mehr an Jesus und dem Evangelium orientieren und außerdem auf Wunsch auch heiraten dürfen. Auch der Umgang mit homosexuellen, queeren und wiederverheirateten geschiedenen Mitarbeitenden war Thema. 

Hier zumindest konnte der Weihbischof konkrete Abhilfe in Aussicht stellen: „Ich setze mich dafür, dass wir schnell das kirchliche Arbeitsrecht ändern“, versprach er. Es könne ja nicht angehen, dass ein Bischof trotz aller Fehler weitermachen dürfe, die Kindergärtnerin aber um ihren Job bangen müsse, wenn sie nach einer Scheidung wieder heirate. 

Bei anderen Fragen räumte Ansgar Puff ein, dass er auch schon mal ratlos sei und längst nicht auf alles eine fertige Antwort habe. In vielen Bereichen habe auch bei ihm ein Umdenken angefangen, für anderes brauche er einfach noch mehr Zeit. 

Was die konkrete Situation der Gemeinden vor Ort – auch in Rheinbach – angeht, empfahl er dringend, sich viel stärker an den Bedürfnissen der Gläubigen zu orientieren und diese auch mehr einzubeziehen im Gemeindeleben. Dabei bekannte der Weihbischof freimütig, dass er sich bei festlichen Messen im Kölner Dom manchmal auch eher verloren fühle – hoch oben am Altar weit weg von der Gemeinde. Umso wertvoller dagegen erlebe er etwa Gottesdienste in der Obdachlosengemeinde, wo alle um den Altar säßen und nach Lesung und Evangelium über das Gehörte diskutieren könnten. 

Wie geht es weiter mit Kardinal Woelki? Sollte er nach seiner Auszeit wirklich zurückkommen? Und kann er über seinen Schatten springen und tatsächlich Spaltungen überwinden und neues Vertrauen gewinnen? Natürlich war auch das Thema. Und Weihbischof Puff konnte die zahlreichen massiven Zweifel nicht mal eben schnell aus dem Weg räumen. Auszeit sei Auszeit, berichtete er. Er habe daher derzeit tatsächlich keinen Kontakt zu seinem Chef und wisse weder, was dieser aktuell mache und gemacht habe, noch kenne er dessen Pläne für die Zeit nach Aschermittwoch. 

Wenn er einen Rat geben solle, so Puff weiter, würde er Woelki empfehlen, mit möglichst vielen Menschen im Erzbistum ins Gespräch zu kommen: „Die Leute müssen ihm ganz konkret sagen, was nicht mehr geht und was sie erwarten. Und davon wird abhängen, ob es wieder Vertrauen gibt.“ Sein Tipp an die Rheinbacher: „Laden Sie Kardinal Woelki hierher ein und reden Sie mit ihm Klartext - genauso offen wie mit mir!“ 

Und auch er selbst komme gerne wieder, um über die Gemeinde und deren Zukunft zu reden, versprach der Weihbischof – „zum Beispiel wenn die Bänke raus sind aus der Kirche und sie neue Wege gehen wollen auch hier im Kirchenraum“. „Wir nehmen Sie beim Wort“, hieß es spontan aus den Reihen der Gemeinde. Und auch die Einladung an den Kardinal wolle man aussprechen. 

Zum Abschluss ging es dann nochmals ans Eingemachte – an die zahlreichen Kirchenaustritte. Ob nicht manch ein Bischof denke, es sei doch gut, wenn man sich gesundschrumpfe und anstelle der vielen lauen und halbherzigen nur noch die 100-Prozent-Katholiken um sich habe, wollte ein Besucher wissen. „Ich bin eindeutig gegen Gesundschrumpfen“, bezog Puff klar Position: „Wir werden kleiner werden und auch an Bedeutung verlieren. Aber wir dürfen niemals eine elitäre Gruppe werden, sondern müssen offen bleiben für alle!“ 

Es seien auch keineswegs die „lauen und halbherzigen Christen“, die eh schon lange mit der Kirche abgeschlossen hätten, die jetzt austräten, ergänzte eine andere Besucherin. Vielmehr seien es oft Menschen, die sich Jahre und Jahrzehnte mit ganzem Herzen für „den Laden“ engagiert und aufgerieben hätten, dies aber jetzt nicht mehr könnten. 

Die letzte Frage schloss direkt daran an: Was würde der Weihbischof unseren Kindern, Freunden und Bekannten auf die Frage antworten, warum sie nicht aus der Kirche austreten sollten? 

Seine Antwort: „Erstens: Trete aus, aber geh weiter zur Messe. Zweitens: Ich ganz persönlich habe dem Laden sehr sehr viel Gutes zu verdanken, vor allem der Gemeinschaft der Glaubenden. Und drittens würde ich Harald Schmidt zitieren, der vor kurzem sinngemäß gesagt hat: Aus dem Glauben kann man nicht so leicht austreten – und außerdem muss es ja auch einen geben, der die Trümmer wegräumt, damit es weitergehen kann.“ 

Gottfried Bohl